SIEGFRIED J. SCHMIDT 1940-2025
Nach langem, schwerem Leiden ist em. Prof. Dr.Dr.h.c. Siegfried J. Schmidt am 3. März gestorben.
Die Sommer seiner Kindheit verbrachte er auf dem Bauernhof seiner Großeltern in Grafendorf bei Friesach in Kärnten. Nach dem Studium von Philosophie, Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte wurde er schon mit 31 Jahren 1971 auf den neugegründeten Lehrstuhl für Texttheorie an der Universität Bielefeld berufen. Es folgten Berufungen für Allgemeine Linguistik, Theorie der Literatur, Germanistik, Kommunikationstheorie und Medienkultur an die Universitäten Siegen und Münster.
Siegfried Schmidt war Wissenschaftler, Literat und Künstler. Häufig arbeitete er an literarisch-künstlerischen und wissenschaftlichen Projekten gleichzeitig. Neben eigenen Beiträgen zur konkreten Poesie und experimentellen Literatur schrieb er über Autor:innen vor allem aus Österreich. Schon früh hat er sich für Christine Lavant und Friederike Mayröcker eingesetzt und auch mit Heinz Gappmayr, Oswald Wiener, Franz Josef Czernin und Ferdinand Schmatz war er freundschaftlich verbunden.
Sein Werk umfasst mehr als dreißig Monographien, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Er war Initiator und Herausgeber der einflussreichen Zeitschriften SPIEL, POETICS und DELFIN.
Siegfried Schmidt war ein Begründer der Empirischen Literaturwissenschaft und zugleich wohl der bedeutendste Kommunikations- und Medientheoretiker der Gegenwart. Seine Arbeiten trugen entscheidend zur Verbreitung des Konstruktivismus im deutschen Sprachraum bei – Ernst von Glasersfeld, Heinz von Foerster, Humberto Maturana und Francisco Varela verdanken ihre Wirkung auch dem von ihm herausgegebenen „Diskurs des Radikalen Konstruktivismus“.
Sein Denken zeichnet eine antifundamentalistische Grundstimmung aus, immer bereit den theoretischen status quo infrage zu stellen und neue Denkwege zu öffnen. Ein großes Anliegen war ihm die Förderung der nächsten Generation. Viele Stipendien wären ohne seine Gutachten nicht vergeben worden und viele Bücher ohne seine Unterstützung nicht erschienen.
Er war Gastprofessor und Vortragender an vielen Universitäten. So etwa mehr als zehn Jahre an der Universität Klagenfurt, die ihm 2004 das Ehrendoktorat für die Entwicklung der Texttheorie, der Empirischen Literaturwissenschaft und der konstruktivistischen Medientheorie verlieh. Auch an der Universität Innsbruck war er immer wieder als Vortragender und Lehrbeauftragter zu Gast, u.a. Ende der 90er Jahre im Rahmen der Innsbruck Lectures on Constructivism. 2015 hielt Siegfried J. Schmidt die Ernst von Glasersfeld-Lecture an der Universität Innsbruck.
Das Ernst von Glasersfeld-Archiv wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren.